Was ist normal, was unser Standard
Ich kann mich noch gut an Wohnräume erinnern die nicht überdimensioniert waren. 1965 bewohnte jeder ca. 22 m². Vater, Mutter und 2 Kinder waren mit einer 80 m² Wohnung gut bedient, Das Fernsehen kam
langsam in Mode und das Telefon war nicht bei allen Standard. Heute ist der Durchschnittliche Wohnbedarf pro Person bei ca. 47 m² angekommen, Der Fernseher und viele zusätzliche elektronische Geräte haben Einzug bis in die Kinderzimmer erlangt. 9 von 10 Personen über 14 Jahre haben ein Smartphone.
In Deutschland gab es 1970 knapp 16,8 Millionen Fahrzeuge davon 14 Millionen PKWs. Das Auto war ein Statussymbol und wurde samstags mit viel Liebe gewaschen. In Sendenhorst und Albersloh konnte man auf der Straße Rollschuh laufen. Der Lebensradius war eingeschränkt. Nach Münster fuhren wir zur Arbeit mit dem Zug. Ins Freibad nach Drensteinfurt mit dem Rad. Heute haben wir 59,6 Millionen Fahrzeuge davon 48,5 Millionen PKWs. Die Straße zu überqueren ist nicht immer einfach. Die Kinder werden per Auto zu Schule gefahren. Wir fliegen übers Wochenende nach Malle oder fahren mit dem Auto quer durch Europa.
Wenn ich als Kind den einen oder anderen Wunsch hatte pflegte mein Vater manchmal zu sagen: „De Hippe wull enen langen Stiärt häbben. ha se aower nich krigen“ Heute wundert sich keiner über ein Smartphone bei Schulkindern oder dem PC im Kinderzimmer. Da stellt sich eher die Frage nach Tarif und M/Bit/s.
Die genannten Beispiele verdeutlichen den Wandel der Zeiten. Wir erfreuen und der neuen Gegebenheiten. Es gab nur eine Richtung: größer, schneller weiter. Manche wünsche wurden nicht erfüllt. Die Standards allerdings immer weiter angehoben. Den Standards heute gerecht zu werden ist mittlerweile aber nicht nur für Privatpersonen eine Herausforderung, sondern auch für Städte und Gemeinden, Staaten und Kontinente.
Und alles geschieht fast immer unter wechselnden Vorzeichen. Unsere Behaglichkeit erkaufen wir mit viel Energie zum Schaden der Ökobilanz. Ob unsere Kleidung unter menschenwürdigen Bedingungen produziert wird ist nebensächlich. Kosten darf sie nicht zu viel. Jeden Tag Fleisch essen aber Massentierhaltung verurteilen passt nicht zusammen.
Wir regen uns auf, wenn bei uns ein Baum gefällt wird. Wir nehmen es in Kauf, dass für die Akkus unserer 23 Millionen neuen Handys pro Jahr und den neuen E-Autos ganze Landstriche verwüstet werden. Dabei hat uns die Wirklichkeit schon lange ein geholt. Die Habgier und Unvernunft haben Krisen herbeigeführt deren Auswirkungen wir nur erahnen können.
Die Bankenrettung hat seit 2008 dem Staat Deutschland 496.000.000.000 Euro gekostet. Die Corona Gesamtkosten belaufen sich seit 2020 / 21 für die deutschen öffentlichen Haushalte auf ca. 500.000.000.000 Euro. Die jetzt aktuelle Energiekriese wird voraussichtlich 295.000.000.000 Euro kos ten. Die Schuldenuhr in Berlin zeig mehr als 2.425.800.000.000 Euro. Das sind eine Menge Stellen vor dem Komma. Die Kosten der Ökokriese ist nicht bezifferbar. Dabei ist das nur Geld. Die Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen sehen wir nicht oder ist uns egal. Das Menschen aus Kriegsgebieten und ausgebeuteten Ländern zu uns flüchten, er schreckt uns. Zu Habgier und Unvernunft gesellt sich die Scheinheiligkeit.
Wir haben den Klimanotstand in Sendenhorst und Albersloh ausgerufen aber weiterhin neue Gasheizungen installiert und die Promenade mit 100 Leuchten bestückt. Wir haben durch die Coronakrise fiktive Einnahmen in unseren Haushalt einstellen müssen. Wir müssen sie aber real ab 2025 zurückzahlen. Wünsche von Gruppierungen und Vereinen werden oft anstandslos er füllt, sind uns Sport und Kultur doch wichtig. Diskussionen um eine Bürgerhalle, oder neue Sporthallen flammen immer wieder auf. Flächenversiegelung ist mal schädlich, mal nicht. Je nach Verwendung. Katastrophenschutz hat auch in Sendenhorst einen neuen Stellenwert erhalten. Das Sirenenkonzept, Löschwasserversorgung und Notstromversorgung für den Fall des Blackouts wurden angestoßen. Die Schulen wurden teils unter hohem Aufwand mit Luftfiltern versehen. Der Nahverkehr soll revolutioniert die Ortszentren attraktiver gestaltet sein. Alle dies Projekte bedeuten aber auch, dass Standards angehoben werden. Doch geht das auch zum Nulltarif?
Wünschenswert wäre zu überlegen, was ist notwendig, was sinnvoll, was nachhaltig was bezahlbar. Die Standards werden steigen. Das ist der Lauf der Zeit. Das gilt jedoch nur, wenn wir unsere Systeme nicht weiterhin überfordern. Umwelt, Soziales, Wirtschaft, privates und öffentliches darf nicht überstrapaziert werden. Im Kleinen (Sendenhorst und Albersloh) wie im Großen (Land und Bund) Verzicht kann auch Gewinn sein, wenn er nicht in neue Krisen führt. Eine Krise ist nicht, wenn ich im Winter im Pullover im Wohnzimmer sitze oder einen etwas höheren Beitrag für mein Hobby selber zahle. Die Welt ist voller Beispiele von wahren erzwungenen Krisen. 825 Mil. Menschen hungern. Außer in der Ukraine gibt es aktual noch weitere 22 Kriege. Freiheit ist ein hohes Gut und längst nicht in allen Ländern normal.
Freiheit gibt es nicht umsonst. Freiheit bedeutet auch Verantwortung. Für sich, aber auch für alle anderen. Wenn auch wir uns in kleinem Rahmen dieser Verantwortung stellen und begreifen, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen können, wird es uns leichtfallen den Satz zu ergänzen: De Hippe wull enen langen Stiärt häbben. ha se aower nich krigen un nu is se auk so tofriär.*
* Die Ziege wollte einen langen Schwanz haben, hat sie aber nicht bekommen und nun ist sie auch so zufrieden.